WENN SCHEITERN KEINE OPTION IST
Immer wieder höre ich von meinen Klienten und Teilnehmern in Coachings oder Trainings, dass sie eine riesengroße Angst davor haben, etwas falsch zu machen oder gar zu scheitern. Sie erzählen mir oft im Vertrauen, wie sehr sie bei der täglichen Arbeit darauf bedacht sind, immer alles unter Kontrolle zu haben. Sie bemühen sich, nach außen hin, immer den starken Mann oder die starke Frau zu zeigen. Dabei ist es egal, wie schlecht es ihnen gerade geht, sie legen, wenn sie zur Arbeit gehen, einen inneren Schalter um, setzen ihre feine glattgebügelte Führungsmaske auf und drücken alle Gefühle weg.
Eine große Befürchtung vieler Führungskräfte ist, in einem schwachen Moment, das sorgsam aufgebaute vorzeigbare Image zu verlieren. Denn sie glauben, dass sie damit nicht nur die Kontrolle sondern auch Ihr Ansehen verlieren würden. Ihre größte Angst ist, als Chef/in oder Führungskraft nicht mehr ernst genommen zu werden und Macht zu verlieren.
Versuchen Sie tagtäglich unerschütterliche Größe zu beweisen?
Kennen Sie auch dieses Gefühl? Allein beim Schreiben dieser Sätze spüre ich förmlich, wie viel Anstrengung und zusätzliche Energie es kostet, wenn man sich tagtäglich verbiegen muss. Diese Energie geht sinnlos verloren. Puff. Peng. Weg. Sie nützt niemandem etwas. Ganz im Gegenteil. Denn sie richtet massiven Schaden an. Sie schadet Ihnen, Ihren Kollegen und natürlich auch Ihrem Unternehmen.
Wenn es nur Sie selbst betreffen würde, könnte man ja sagen, okay, selber schuld. Wenn Du es so haben willst, dann zahl doch auch den Preis dafür. Aber natürlich, wollen Sie, dass es Ihnen gut geht. Und ich möchte das auch für Sie.
Wie Wikrt die Angst vor Kontrollverlust?
Lassen Sie uns über diesen Punkt kurz hinausblicken zu Ihren Mitarbeitern. Ihr Anspruch, sich selbst unter Kontrolle zu halten und immer stark sein zu müssen ist zugleich ein Übergriff und wertet Ihre Kollegen ab. Was? Ja, Sie haben richtig gelesen. Und ich will kurz erklären, was ich damit meine. Indem wir ständig etwas vorspielen, auch wenn wir uns gerade alles andere als gut fühlen, drücken wir damit gleichzeitig aus, was wir von unseren Teamkollegen halten. Denn offenbar trauen wir ihnen nicht zu, dass sie mit uns und unserem Befinden umzugehen wissen. Das ist nicht gerade sehr wertschätzend, oder?
Wohin mit der Angst vor Kontrollverlust?
ICH MÖCHTE IHNEN DAZU EINE Kurze GESCHICHTE aus MEINEr EIGENEN FÜHRUNGSERFAHRUNG ERZÄHLEN.
Ein einwöchiges Training stand vor der Tür und ich hatte dafür ein neues Team zusammengestellt, das unter meiner Führung das Training durchführen sollten. Ich selbst war in einer wirklich schwierigen Situation. Wenige Tage zuvor hatte ich erfahren, dass mein Lebenspartner an einer unheilbaren Krankheit litt. Seine Chancen sahen überhaupt nicht gut aus. Es gab nur eine winzig kleine Option auf ein Wunder. Damit war völlig unklar, wie viel Zeit uns noch bleiben würde.
Ich bewegte mich auf einem schmalen Grat zwischen großer Angst und tiefer Verzweiflung und auf der anderen Seite einer großen Hoffnung auf ein Wunder. Jeden Morgen, bevor ich zur Arbeit fuhr, brachte ich mich mental in einen guten Zustand, um mein Team zu führen, damit wir unseren Auftrag bestmöglich ausführen konnten. Manchmal kam ich deshalb zu spät, weil mir “mein guter Zustand” nicht gelingen wollte. Es kostete mich unheimlich viel Kraft, überhaupt zur Arbeit zu gehen und dort die starke Chefin zu sein. Abends setzte ich mich dann ins Auto, fuhr hundert Kilometer, um bei meinem Mann zu sein und nachts dann wieder zurück. Was war das für eine Anstrengung. Einerseits tat mir das Arbeiten gut und half mir, für ein paar Stunden an etwas anderes zu denken. Aber andererseits war die Angst, meinen Partner zu verlieren, unterschwellig immer da und kam immer wieder hoch.
In den ersten Tagen, versuchte ich, meine Gefühle zu unterdrücken und zu verstecken. Mein eigenes Verhalten kam mir selbst sehr merkwürdig und fremd vor. Es ging mir gar nicht darum, nicht zu erzählen, was mich so sehr bewegte. Meine größte Angst war, dass, wenn ich darüber reden würde, der Damm brechen und ich einfach nur hemmungslos losheulen würde. Ich würde das vermutlich nicht kontrollieren können. So wollte ich mich doch nicht zeigen. Ich kannte meine Mitarbeiter noch gar nicht richtig, denn sie waren ja ganz neu.
Wir verlieren nicht an Größe, wenn wir uns als Mensch zeigen. Das Gegenteil ist der Fall. Wir verlieren an Größe, wenn wir uns als Mensch verstecken. Wer sich als Mensch zeigt, gewinnt an Größe.
Sabine Beley
Da war ich nun selbst in einer Situation, in der ich den meisten meiner Klienten im Führungscoaching wohl empfohlen hätte, die Flucht nach vorn anzutreten und sich zu zeigen. Warum fiel mir selbst das nur so schwer? Was hatte ich zu verlieren? Rational war mir klar, dass ich würde nur gewinnen konnte, wenn ich mich erklären würde. Aber die Angst war trotzdem riesengroß.
Mut gibt es gar nicht. Sobald man überlegt, wo man ist, ist man schon an einem bestimmten Punkt. Man muss nur den nächsten Schritt tun. Mehr als den nächsten Schritt kann man überhaupt nicht tun.
Martin Walser
Und so war es dann auch. Ich erzählte meinen Mitarbeitern, warum ich gerade so bin, wie ich bin und welche privaten Sorgen mich belasteten. Natürlich rollten mir dabei auch Tränen über die Wangen und ich musste Pausen beim Sprechen machen. Weil ich eben nicht mehr alles unter Kontrolle hatte. Doch gleichzeitig purzelten auch ein paar Steine von meinen Schultern. Ich fühlte mich erleichtert, dass ich mich, so wie es mir gerade ging, gezeigt hatte. Meine Kollegen waren tief betroffen und sagten erst mal gar nichts. Doch als sie sich wieder gefasst hatten, versicherten sie mir ihr Mitgefühl und dass sie mir noch viel mehr abgenommen hätten, wenn sie nur gewusst hätten, was mit mir los war. Sie fühlten sich wertgeschätzt, dass ich ihnen nach so kurzer Zeit so viel Vertrauen entgegen gebracht hatte. So war es trotz allem ein guter und großer Augenblick des Menschseins für uns alle.
Haben Sie immer alles unter Kontrolle?
Das können Sie nicht. Und das müssen Sie auch nicht. Trauen Sie sich und Ihren Mitarbeitern ruhig was zu. Ich möchte Ihnen mit meiner kurzen Geschichte Mut machen. Es würde mich freuen, wenn Sie überprüfen, ob sie Möglichkeiten für sich sehen, sich auch als Chef/Chefin oder Führungskraft mehr als Mensch zu zeigen.
Was meinen Sie, wie wohltuend es ist, wenn sie nicht mehr alles verbergen und unter Kontrolle halten müssen. Wie viel Sie von sich preisgeben, entscheiden natürlich immer Sie. Doch wir führen Menschen und keine Maschinen. Diese Botschaft kommt zum Glück immer mehr auch in einigen Köpfen der Wirtschaft an. Verinnerlichen wir sie doch auch in unserem Herz und führen unsere Mitarbeiter als Mensch.
- Wo wollen Sie sich noch mehr als Mensch sich zeigen?
- Wie können Sie noch besser und als Mensch führen?
Ich wünsche Ihnen Mut und viel Erfolg bei diesem Vorhaben,
Sabine Beley
Führungskunst neu gedacht
P.S. Im Business Coaching THE ART OF LEADERSHIP begleite ich Sie dabei, Ihre gewünschten Veränderungen Wirklichkeit werden zu lassen – hier erfahren Sie mehr darüber.
Am Ball bleiben
Sie wollen keinen Artikel mehr verpassen? Der Führungskunst Zirkel Newsletter informiert Sie, über neue Beiträge hier und liefert in unregelmäßigen Abständen Gedanken und Führungsimpulse von mir. Ich freue mich, wenn Sie dabei sind. Hier können Sie sich dafür anmelden.